Mörderhotel by Wolfgang Hohlbein

Mörderhotel by Wolfgang Hohlbein

Autor:Wolfgang Hohlbein [Wolfgang Hohlbein]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-08-07T16:00:00+00:00


CHICAGO, ILLINOIS, 1893

Irgendwie war Holmes der Tag zwischen den Fingern zerflossen, ohne dass er sagen konnte, wo all die Stunden eigentlich geblieben waren und was genau er in dieser Zeit getan hatte. Zu einem Gutteil nichts, denn er hatte versucht, wenigstens einige der versäumten Stunden Schlaf nachzuholen, bevor ihm sein Körper endgültig den Gehorsam verweigerte. Es hatte nicht wirklich funktioniert. Nach kaum zwei Stunden – und auch das hatte ihm erst ein Blick auf die Uhr verraten, denn es kam ihm vor, als wären es nur Minuten gewesen – war er in kalten Schweiß gebadet und mit klopfendem Herzen auf seinem zerwühlten Bett aufgewacht, mit dem ihm schon vertrauten schlechten Geschmack im Mund und einem dumpfen Druck hinter den Augen, der noch kein wirklicher Schmerz war, aber durchaus das Potenzial hatte, es zu werden. Und außerdem war sein Kopf voller chaotischer Bilder, die von einem mindestens ebenso chaotischen Albtraum kündeten, den er gottlob vergessen hatte.

Müde war er ins Bad geschlurft und hatte sich seinem Spiegelbild gestellt, um es aufmerksam und mit dem Blick eines Arztes zu betrachten: blass, dunkle Ringe unter den Augen und ein Netz winziger Schweißtröpfchen auf der Stirn, die wächsern glänzte. Sein Schweiß roch schlecht, und seine Hände zitterten leicht. Der üble Geschmack tief in seinem Rachen und das leise Fiebergefühl hätten ihm wohl auch ohne ein Medizinstudium verraten, was er nun schon seit zwei Tagen befürchtete: Er wurde krank oder war es vielleicht schon. Wenn er Glück hatte, war es ja nur eine harmlose Erkältung, wie sie typisch für diese Jahreszeit war, und die genauso schnell wieder verschwand, wie sie sich gemeldet hatte.

Aber vielleicht reagierte er ja auch nur allergisch auf diesen Idioten Geyer. Allein der Klang dieses Namens hatte ausgereicht, ihm auch noch den Rest des Nachmittags zu verhageln.

Ihr gemeinsamer Ausflug hatte so ergebnislos geendet, wie er begonnen hatte – und wie er es Geyer, nebenbei bemerkt, auch prophezeit hatte –, nämlich selbstverständlich ohne das geringste Ergebnis. Geyer gehörte nicht nur zu jenen Detektiven, die prinzipiell niemandem irgendetwas glaubten, sondern auch noch zu jener ganz besonders unangenehmen Unterspezies, für die jede Unschuldsbeteuerung eigentlich nur ein verkapptes Geständnis und jedweder Unschuldsbeweis nur ein ganz besonders raffinierter Trick war. Der Schalterbeamte, dem er sie in der Tonlage eines Polizeiinspektors bei einer Gegenüberstellung vorgeführt hatte, hatte Arlis nicht wiedererkannt, und er konnte sich auch trotz Geyers hartnäckigem Insistieren nicht erinnern, einem Mann eine Fahrkarte verkauft zu haben, auf die Mudgetts Beschreibung gepasst hätte.

Immerhin hatte es einen Lichtblick gegeben: Geyer hatte verkündet, dass er nicht mit ihnen zurück ins Hotel fahren würde, sondern den Rest des Tages anderweitig mit Ermittlungen beschäftigt sei und erst am Abend wieder zu ihnen stieße. Aber Frank Geyer wäre nicht Frank Geyer gewesen, hätte er nicht noch eine Überraschung für Holmes parat gehabt, indem er ihm ganz unverfroren eine ganze Liste von Hausaufgaben mitgegeben hatte, die bis zum Abend zu erledigen seien. Und das in einem Tonfall, der alle zu einem zustimmenden Nicken veranlasste, so dass Holmes es unterlassen hatte, in passender Art dagegen zu protestieren.



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